Spotlight: BOS Deutschland

BOS – Orang-Utans im zweiten Bildungsweg

Affen mit orangenem Fell, soviel wissen die meisten wohl gerade noch über Orang-Utans. Außerdem sind sie die größten Baumbewohner der Erde und teilen sich 97% der DNA mit den Menschen. Eben Menschenaffen, die leider stark vom Aussterben bedroht sind.

BOS („Borneo Orang-Utan Survival“) ist ein kleiner Verein, der seit über 20 Jahren den Lebensraum des Orang-Utans schützt und erhält. Bewusst verzichten sie dabei auf aufwändiges Marketing, oder große Werbekampagnen. Lediglich 10% der Spenden werden für Verwaltungsaufwand verwendet, der Rest geht komplett in zwei Pflegezentren in denen aufgefundene Tiere von Hand aufgezogen werden. Bis zu 8 Jahre verbringen Jungtiere dort, bis sie ausgewildert werden können. November 2022 ist es schon die Nummer 500. Also haben wir Daniel Merdes gebeten, mehr darüber erzählen und im WEtell Spotlight Platz zu nehmen.

Orang-Utans – Primaten wie Du und Ich

3 Orang Utans schauen in die Kamera
Damiel Merdes WEtell Spotlight

Daniel Merdes, Geschäftsführung

„Ein Blick in ihre Augen und es war um mich geschehen.“ Nein, es geht hier nicht um Daniels Frau, sondern um seine erste Begegnung mit einem Orang-Utan. Daniels Eltern waren Missionare in Laos und Thailand. Südostasien wurde schnell sein Sehnsuchtsort. Orang-Utans und die Zwergelefanten von Borneo/Sumatra bald seine Lieblingstiere. Einige Zeit hat er gearbeitet und privat den Regenwald bereist. Bis er 2001 bei BOS angeheuert und seine Leidenschaft zum Beruf gemacht hat. Er hört zwar gerne Punk und Ska, wäre aber bereit für den Sound des Regenwaldes Eintritt zu bezahlen.

Was man über Daniel wissen muss, ist das er 100% hinter dem steht, was er tut. So sagt er stolz: „Ich bin zu 97% Orang-Utan!“ und hat sich „loose to win“ auf seinen Bauch tätowiert. Aufgeben Fehlanzeige!

Stumme Gärtner im großen Obstgarten

Wenn jemand einen grünen Daumen hat, dann unsere rothaarigen Cousins. Täglich säen, düngen und pflegen die Orang-Utans den größten Obstgarten der Welt: den Regenwald.

Dieser wird häufig als „Grüne Lunge unserer Erde“ bezeichnet. Etwa 50% aller Tier- und Pflanzenarten leben hier, von den 200 verschiedenen Säugetieren Südostasiens leben ca. 35 ausschließlich auf Borneo. BOS schützt aktiv 460.680 Hektar davon und erhält damit dem Orang-Utan seine Heimat. Und uns einen Teil unserer verkohlten und geteerten Lungen.

Hallo Daniel,
wenn ich mir eure Website orangutan.de, dann denk ich mir, ihr könnt von Glück reden, dass ihr die bekommen habt. Die passt wie Faust aufs Auge😊
Was macht ihr denn genau und wie lange gibt’s euch denn schon?

Wir haben letztes Jahr 20-jähriges Vereinsleben gefeiert. Das war schon eine sehr holprige Wegstrecke, die ich auch nur zu Teilen begleiten durfte. Aber unsere Mission war von Tag 1 dieselbe: Orang-Utans in Borneo vor dem Aussterben zu bewahren. In der Praxis: Wir werben um Partizipation und Spenden für unsere Arbeit in Indonesien. Gleichbedeutend leisten wir Bildungsarbeit über Artenschutz. Biodiversität und wie dies mit unserem Konsum zusammenhängt. Seit fünf Jahren widmen wir unsere Aufmerksamkeit aber auch zunehmend der Gemeindeentwicklung vor Ort. Denn nur wenn die Menschen vom Artenschutz profitieren werden sie mithelfen und die „erste Linie der Verteidigung“ bilden.

Ihr unterhaltet 2 Pflegezentren auf der Insel Borneo in Kalimantan, im indonesischen Teil der Insel. Dort ziehen Pfleger*innen Orang-Utans auf, wie Leihmütter quasi.
Wie schaut das Tagesgeschäft in den beiden Zentren vor Ort genau aus?

Wir haben das große Glück, dass Orang-Utans bei einer bestmöglichen „Ausbildung“ wieder zurück in den Regenwald ausgewildert werden können. Einen enorm wichtigen Anteil bilden die menschlichen Mütter (wir nennen sie Babysitter), die ihren Schützlingen wirklich alles beibringen müssen, was sonst die genetische Mutter getan hätte. Und dies auch noch in einem sehr langen Prozess von neun Jahren ab der Geburt. Dies ist die längste Mutter-Kind-Bindung im Tierreich. Nur zu vergleichen mit uns Menschen. Das geht bereits mit dem Klettern los und wird bei über 500 Nahrungsinhalten auch schon mal sehr kleinteilig. Long story short: Wo, wann was essen, vor was mich wie schützen und wo und wie mein Schlafnest bauen. Denn jede Nacht wird ein neues gebaut.
Bereits früh wurde erkannt, dass lediglich Frauen für diese Arbeit die nötige Geduld und Passion mitbringen. Ihre Begeisterung fasziniert mich jeden Tag und wenn ich bei einer Auswilderung in das glückliche, aber verweinte Gesicht der Babysitterin blicke kann ich auch meine Tränen einfach nicht mehr zurückhalten.

BOS verzichtet bei ihrer Arbeit auf schweres Gerät um dem Regenwald nicht weiterer zu schaden

Du kennst diese Tiere ja jetzt schon ziemlich gut. Was kannst du uns noch über sie verraten?
Und warum sind diese schützenswert?

Früher habe ich argumentiert, dass Orang-Utans so besonders schützenswert sind, weil sie uns so ähnlich sind. Heute finde ich diese Argumentation brüchig, denn der Mensch schützt ja nicht mal sich selber, sondern tut gerade alles, um seine Lebensgrundlage zu zerstören. So gesehen ist der Orang-Utan eher der bessere Mensch: friedlich, nachhaltig und als Schirmspezies auch noch ungemein nützlich für seinen Lebensraum. Deswegen nennen wir ihn den Gärtner des Waldes, weil er durch seine vielfältige Ernährung die Pflanzen weiträumig verteilt. Ein Wald ohne Orang-Utans ist ein viel artenärmerer Wald.

Orang-Utans. Warum sind diese Tiere derart bedroht?

Danke für diese Frage, denn die Themen „pulp and paper“, also alles was mit der Holz- bzw. Papierproduktion zusammenhängt, geht in der Berichterstattung gnadenlos unter. Bizarr. Denn eigentlich waren wir mit Recyclingpaper bereits in den 80er weiter. Aber beim Thema Holz sind bei uns gesellschaftlich falsche Wege gegangen worden. Dazu zählen auch die unseligen Holzpalet-Heizungen, die ähnlich wie der sog. „Biosprit“ als grün gelabelt wurden, aber das Gegenteil bewirken. Mit der aktuellen Energiekrise steigt der Druck auf die Wälder noch immenser und gerade bei Agra-Kraftstoffen ist der Bedarf in absehbarer Zeit unendlich. Vom Regen in die Traufe und leider in der aktuellen Diskussion meist unerwähnt.

Anmerkung: Die Zerstörung des Lebensraumes, also der Regenwälder , ist die größte Bedrohung! Orang-Utans vermehren sich nur sehr langsam, denn in freier Wildbahn bringt ein Weibchen normalerweise nur alle acht Jahre ein Baby zur Welt. Außerdem jagen Menschen Orang-Utans, um Jungtiere für den illegalen Wildtierhandel zu fangen.

Die stummen Gärtner des Waldes, so werden Orang-Utans auch häufig genannt

Der Wildtierhandel nimmt beizeiten bizarre Züge an. Erzähl doch bitte die Geschichte von Taymur, dem Orang-Utan und seiner Reise zurück in die Heimat.

Taymur ist mein Lieblingsaffe und meine Frau hat ihn als Patentier. Er war unter Drogeneinfluss mit seinem Besitzer in einen Autounfall in Kuwait verwickelt. Dank großer Unterstützung konnten wir in eine unserer Rettungsstationen bringen. Hier hat er sich sehr gut erholt und kann sehr wahrscheinlich in ein paar Jahren ausgewildert werden. Damit geht dann seine verrückte Reise (Gestohlen und geschmuggelt von Borneo nach Kuwait, dann zurück nach Borneo und bald wieder in Freiheit). Eine Tour de Force mit ausnahmsweise glücklichem Ende.

„Geschäftsleitung eines Vereins, der sich für die Rettung einer bedrohten Affenart einsetzt“ ist mit Sicherheit nicht gerade eine Ausschreibung, die man häufig auf LinkedIn findet. Wie bist du zu BOS gekommen und was hast du davor gemacht?

Meine Eltern waren Missionare in Laos und Thailand, deswegen war Südostasien immer mein Sehnsuchtsort. Gleich nach meinem Zivildienst habe ich nur noch gearbeitet, um zu reisen. Also low-budget-Rucksackreisen. Damals war dies noch sehr günstig und wenn ich mein WG-Zimmer vermietet bekam, fast kostenneutral. Wie magisch hat es mich dann immer wieder nach Indonesien gezogen, aus Kostengründen aber immer Sumatra. Dort verbrachte in lange Zeit im Dschungel und beobachtete Tiere. In einer ehemaligen Auswilderungsstation begegnete ich dann den Orang-Utans. Ein Blick in ihre Augen und es war um mich geschehen. Wenn es um Orang-Utan Schutz geht, führt dann schlichtweg kein Weg an BOS vorbei. Keine andere Organisation hat auch nur in Ansätzen so viele Tiere retten und erfolgreich auswildern können. Heute bin ich sehr stolz ein Teil der erfolgreichsten Primatenschutzorganisation zu sein. Das hört sich jetzt schnell nach Angeberei an, aber all die riesigen „Naturschutzunternehmen“ haben mit ihren 100-mal höheren Budgets als wir außer Selbstwerbung wenig bis nichts erreichen können. Hier schlägt Impact Geld bzw. Leidenschaft Hochglanzmarketing.

Das letzte Wort überlasse ich dir. Ganz nach dem Motto „What grinds your gears, what floats your boat?“ Alle Ventile auf. Was liegt dir auf dem Herzen?

„loose to win“ habe ich auf meinen Bauch tätowiert. Je mehr ich verliere, desto motivierter bin jeden Tag. Alles andere wäre wohl Kapitulation und daran glaube ich nicht.

Vielen lieben Dank Daniel für deine Zeit und liebe Grüße ans ganze BOS Team!

Schenken mit Herz und Fell

Weihnachten steh mal wieder vor der Tür. Wer mit einem Geschenk doppelt Freude schenken will, der sollte sich unbedingt im BOS-Spendenkaufhaus umsehen. Hier kann man verschenken, was Menschenaffe dringend braucht.